Kurze Einführung in den Gemeinschaftskompass

Der kurze Einführungsartikel ist hier als pdf downloadbar!

Der Gemeinschaftskompass
eine Orientierungshilfe für Initiativen und Projekte

KompassVisualisierung


Was braucht es, damit gemeinschaftliche Initiativen gelingen? Der Gemeinschaftskompass gibt eine Antwort auf diese Frage. Er ist eine Orientierungshilfe für alle, die mit gemeinschaftlichen Initiativen zu tun haben, seien es soziale oder ökologische Projekte, ehrenamtliche Zusammenschlüsse, Nachbarschaftsinitiativen oder Bürgerenergiegenossenschaften.

Der Gemeinschaftskompass identifiziert sieben Themenbereiche, die essentiell für das Gelingen von gemeinschaftlichen Projekten sind: Individuen, Gemeinschaft, Intention, Struktur, Praxis, Ernte und Welt.

Auf all diese Themen sollte geachtet werden. Sie brauchen alle Aufmerksamkeit, damit Projekte gelingen und langfristig wirksam bleiben

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Was ist mit den sieben Aspekten gemeint?

Individuen in Gemeinschaft nenne ich gerne in einem Atemzug. Projekte brauchen Aufmerksamkeit auf die Dualität der Individuen in Gemeinschaft. Es braucht Raum für die Individuen in ihrer Individualität – keine Gleichmacherei oder Unterordnung unter den Gruppendruck, sondern Respekt vor der Individualität und Aufmerksamkeit darauf, dass alle Individuen ihren Platz in der Gruppe finden.

Von Seiten der Individuen braucht es die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, für sich selber und für die gemeinsamen Ziele. Eine Bereitschaft, an den Herausforderungen des Weges zu wachsen, und bewusst auch das Miteinander mit den Anderen zu pflegen.

Die Themen Individuen und Gemeinschaft stehen bewusst im Zentrum des Modells. Sie sind die zentralen Aspekte. Schwächen in den anderen Aspekten können ausgeglichen werden. Schwächen in den Aspekten Individuen und Gemeinschaft schlagen stets auf das Projekt als Ganzes zurück.

Intention

Eine gemeinsame Intention ist ein wesentlicher Baustein für das Gelingen von Projekten. Eine gemeinsame Ausrichtung sorgt für starke Verbindung und verhindert viele Reibungsverluste. Wenn in jeder Phase des Projektes allen klar ist, wofür gemeinsam losgegangen wurde – und wo die Gruppe hin möchte – dann erübrigen sich viele Diskussionen, und die Aufmerksamkeit kann auf den gemeinsamen Weg gelegt werden. Die gemeinsame Intention motiviert und gibt Ausrichtung.

Hier ist hilfreich, bewusst zu machen, in welchen Bereichen die Gruppe selbstverständlich erwartet, dass die Intention geteilt wird, und wo Raum für Vielfalt ist und keine gemeinsame Zielfestlegung vorhanden ist.

Struktur

Zum Bereich Strukturen gehören sowohl Rechtsformen, wie auch Entscheidungsstrukturen, der Ablauf von Organisationstreffen und das Informationsmanagement.

Die Strukturen eines Projektes prägen ein Projekt langfristig und nachhaltig. Rechtliche Strukturen und Protokolle sind oft langlebiger als soziale Zusammenhänge und Erinnerungen. Im wirklichen Konfliktfall sind es nicht mehr die internen Absprachen und der gute Wille, der die Lösung bestimmt, sondern die rechtlichen Strukturen.

Daher ist es sinnvoll, der Frage nach der für das Projekt passenden Struktur die notwendige Aufmerksamkeit zu schenken. Gerade bei Strukturen ist die „Angemessenheit“ der Strukturen wichtig, so dass die wesentlichen Strukturen je nach Initiative ganz unterschiedlich aussehen können.

Für eine kurzfristige Initiative, ein Nachbarschaftsfest zu organisieren, sehen die wesentlichen Strukturen sehr anders aus als für ein Projekt, das gemeinsam eine Immobilie besitzen möchte.

Allgemein gilt: Je langfristiger und von je größerer finanzieller Tragweite ein Projekt ist, desto wichtiger wird der Fokus auf die Rechtsform und klar festgelegte Entscheidungsstrukturen.

Praxis

Dass jedes Projekt, um erfolgreich zu sein, nicht nur Ziele formulieren und Strukturen dafür entwickeln, sondern auch die Umsetzung kompetent und engagiert durchführen muss, versteht sich von selbst. In der Praxis kommen alle vorherigen Aspekte zusammen: Individuen in Gemeinschaft realisieren ihre Intention unter der Nutzung der für sie passenden Strukturen.

Ernte

Das Themenfeld „Ernte“ richtet die Aufmerksamkeit auf das, was erreicht wurde. Es geht um Innehalten und Wahrnehmen des Zustandes des Projektes, Feedback und Lernen aus Erfahrung.

Ein wesentlicher Teil ist das „Feiern“ dessen, was bereits erreicht wurde, das Würdigen der Erfolge und auch der Misserfolge – als eine Lernchance, für die Zukunft etwas zu verändern. Hierzu gehört auch Wertschätzung und Würdigung der einzelnen Akteure, denn nur Menschen, die Wertschätzung für ihre Arbeit fühlen, werden sich längerfristig engagieren. Diese Wertschätzung kommt in Projekten, die sich viel vorgenommen haben, oft zu kurz. Es wird sich beklagt über Arbeit, die nicht oder nicht gut genug gemacht wurde, aber selten gewürdigt, wer welche Arbeiten erledigt hat. Aufmerksamkeit auf den Aspekt der Wertschätzung, der Würdigung, trägt wesentlich zu einem positiven Gemeinschaftsklima bei.

Welt

Kein gemeinschaftliches Projekt existiert als Insel – unsere Projekte sind stets eingebettet in die Welt, die sie umgeben. Projekte, die etwas verändern wollen in der Welt, tun gut daran, sich dessen bewusst zu werden und sich sehr bewusst in den gesellschaftlichen Kontext zu stellen und dort Synergieeffekte und Unterstützung zu suchen.

Verbündete und Netzwerkpartner sind eine ungeheuer wertvolle Ressource für jedes Projekt. Krisen, Verleumdungen, unerwartete Finanzengpässe und andere schwierige Herausforderungen können oft nur mit einem starken Netzwerk gemeistert werden.

Und wie kann man den Gemeinschaftskompass anwenden?

Der Gemeinschaftskompass systematisiert und visualisiert die Aspekte, die wesentlich sind, um erfolgreich Projekte umzusetzen. Er kann als Leitschnur und Inspiration für die konkreten Schritte der Projektentwicklung dienen.

Auch kann er als Diagnosetool für bestehende Projekte genutzt werden und Hinweise für notwendige Schritte in Projektbegleitung und Supervision liefern. Hierfür gibt es ein eigenes Tool, den Standortbestimmungs-Fragebogen.

Der Gemeinschaftskompass dient auch einem besseren Verständnis der Gruppendynamik und vieler Konflikte in Gruppen. Konflikte entstehen häufig zwischen Menschen, die in unterschiedlichen Aspekten des Gemeinschaftskompasses ihre Stärken haben, und die sich mit Menschen reiben, die andere Aspekte in den Vordergrund stellen. Das Bewusstsein, dass es alle Aspekte braucht, und dass der konstruktive Umgang zwischen Menschen, die für verschiedene Aspekte stehen, die Projektentwicklung fördert, entspannt manche schwierige Konfliktsituation.

Eva Stützel