Intention

Um ein gemeinschaftliches Projekt erfolgreich zu realisieren, ist eine gemeinsame Ausrichtung eine wesentliche Grundvoraussetzung. Oft wird implizit vorausgesetzt, dass alle unter der gleichen Überschrift dasselbe verstehen. Später wird dann in Konflikten deutlich, wie unterschiedlich die Träume und Vorstellungen der einzelnen Projektteilnehmenden überhaupt sind. Eine gemeinsame Ausrichtung und Vision als verbindendes und motivierendes Element explizit zu machen, und damit eine Grundlage für alle zukünftige Arbeit zu legen ist ein grundlegender Aspekt für Initiativgruppen. Die Intention hat verschiedene Ebenen, die alle wichtig sind.

Werte

Welche Werte sind die Grundwerte, auf die das Projekt aufbaut? Auf dieser, sehr abstrakten Ebene ist es meist leicht, einen Konsens herzustellen. Es ist sehr verbindend, sich darüber auszutauschen und herauszuarbeiten, was die Einzelnen mit den verschiedenen Werten verbinden. Der Austausch über Werte bedeutet gleichzeitig auch den Austausch darüber, wie wir die Position von Individuen und Gemeinschaft verstehen und legt eine wichtige Basis für das gesamte Projekt. Auf der Basis dieser Werte stellt sich die Frage, was mit dem Projekt genau umgesetzt werden soll:

Gemeinsame Werte = Gleiche Vorstellungen?

Wie wollen wir diese Werte in unserem Projekt umsetzen, lebendig halten, zum Blühen bringen? Es gibt viele Wege, die gleichen Werte umzusetzen, und es braucht eine Einigung über den Weg ein Projekt wählt. So kann „Respekt vor dem Leben“ für manche bedeuten, dass keine tierischen Produkte konsumiert werden und keine Tiere in Gefangenschaft gehalten, geschweige denn für Nahrung getötet werden. Für andere bedeutet es einen Hof, der sich für die Erhaltung und artgerechte Haltung alter Haustierrassen einsetzt, und diese nach einem glücklichen Leben auch tötet. Ökologisches Bauen bedeutet für den einen das Bauen von teuren Passivhäusern mit viel High-Tech. Für die anderen das Arbeiten mit Recyclingmaterialien und Einzelöfen. „Solidarisches Wirtschaften“ ist für manche gleichzusetzen mit gemeinsamer Ökonomie aller Beteiligten inclusive ihres Kapitals. Die anderen sehen es auch noch realisiert, wenn in ihrem Wohnprojekt neben Eigentumswohnungen auch Wohnungen des sozialen Wohnungsbaus integriert sind. Eine „ökologisch bewusste Ernährung“ bedeutet für die einen exotische Superfoods aus dem Bioladen. Für die anderen ist es hingegen die rein saisonal und regionale Ernährung und für die dritten containern. „Ökologischer Lebensstil“ heißt für manche Umsteigen von Mercedes auf Tesla und Urlaub im Bio-Hotel auf Teneriffa, und für andere ein Leben ohne Auto und mit Verzicht auf Flugreisen und Wiederentdeckung der Nähe. Menschen, die gemeinsam ein Projekt realisieren wollen, sollten für die Themen, die für das gemeinsame Projekt wesentlich sind, frühzeitig eine gemeinsame Ausrichtung festlegen. Nicht für alle Projekte sind alle Themen relevant. Für ein Gemeinschaftsgartenprojekt ist es wichtig, festzulegen, was die Eckpunkte für die gemeinsamen Gartenflächen sind: Nur einheimische Pflanzen? Hybrid-Setzlinge aus konventioneller Produktion? Was darf in den Boden eingebracht werden und was nicht? Die zwischenmenschliche Ebene ist immer wichtig: Deshalb ist es ratsam, festzulegen, welche Werte den Umgang der Gemeinschaftsgärtner untereinander prägen sollen, und welche Erwartungen es da an die Mitglieder gibt. Wenig Sinn macht es hingegen, in einem Nachbarschaftsprojekt über Ernährungsgewohnheiten allgemein oder den Lebensstil allgemein der Projektmitglieder zu diskutieren, während in einem Gemeinschaftsprojekt, das sich explizit als ein Beispiel für ökologischen Lebensstil sieht, zu derartigen Themen auch eine Einigung gefunden werden muss.

Die vier Ebenen der Intention

Eine klare Formulierung der Intention eines Projektes sollte möglichst folgende Ebenen beinhalten:

1. Eine einprägsame Formulierung der gemeinsamen Werte

möglichst kurz und knackig, damit die Werte auch wirklich präsent für alle bleiben können. Beispiele dafür sind beispielsweise: „So bunt wie möglich!“ (Pauluscarrée Bielefeld) „Respekt für Dich selbst, für Deine Mitmenschen und die Natur“ (Pierre Rabhi, Oasis en tous lieux), „Earth Care, People Care, Fair Share“ (Permakultur-Netzwerk), „ökologisch, sozial, ökonomisch und kulturell nachhaltig“ (Global Ecovillage Network).

2. Eng damit verknüpft die Formulierung des Ziels, der Vision des Projektes.

Beispiele: “Wir wollen ein neues Dorf für 300 Menschen / ein städtisches Wohnprojekt in XY / eine Nachbarschaftsinitiative / Urban Gardening auf der Brachfläche Z aufbauen, in dem diese Werte realisiert werden.” Auch dies sollte sehr kurz und knackig gehalten werden, idealerweise in einem Satz formuliert werden können. Wichtig ist, dass jedes Projektmitglied sowohl die essentiellen Werte, die wie auch die Zielformulierung selbstverständlich bewusst hat. Darüber hinaus braucht es dann noch zwei konkrete, weiter gefasste Anteile der Intention:

3. Die weitere Ausformulierung der Details der Intention:

Hier ist Platz für all die Gedanken und Träume, was dort entstehen könnte. Eine derartige Aufzählung ist nie vollständig und auch nie so, dass alles, was dort steht, umgesetzt wird. Jedoch ist sie wichtig, da sie die abstrakte Vision mit Bildern und Vorstellungen füllt. Dieser Teil der Intention ist sehr lebendig. Er wird immer wieder durch neue Facetten ergänzt, wenn neue Menschen oder neue Ideen kommen. Es wird auch mit großer Sicherheit nie alles umgesetzt, was es an Ideen über Unterprojekte gibt. Diese Auflistung der Details gibt jedoch der oben formulierten Vision „das Fleisch auf den Knochen“, macht sie lebendig und malt sie aus.

4. Eckpunkte

Ebenso wesentlich ist das Festsetzen von Eckpunkten, was die Mindesterwartungen an alle sind, die sich beteiligen. Beispiele dafür sind: Festlegungen zur Ökonomie (z.B. genossenschaftliche Organisation, gemeinsame Ökonomie, Wohneigentumgemeinschaft), Tieren (z.B. keine Haustiere, Landwirtschaft mit Tierhaltung, Hunde & Katzen willkommen oder nicht,…), Erwartungen an Mitarbeit (Mindestbeteiligung von x Stunden / Monat), Standards für Ernährung (ökologisch, regional, aus Containern, oder undogmatisch), Hausbau (Ökostandards) oder Lebensstil (Autofreiheit, Carsharing) oder …. Insbesondere diese Eckpunkte, die festlegen, was die Grenzen des Projektes sind, sollte man in der Anfangsphase festlegen. Man erspart sich und Interessierten am Projekt viel Frustration und Reibung, wenn manche Punkte von Anfang an klar kommuniziert sind. Dann werden nur Menschen zum Projekt dazustoßen, die diese Eckpunkte auch gerne als Eckpunkte in ihrem Leben sehen. Wesentliche Aspekte, die für die meisten Projekte formuliert werden sollten, sind insbesondere die Erwartungen an Mitarbeit und Umgang mit Konflikten, Beteiligung an Treffen, Festlegungen bezüglich Ernährung und Tieren. Letztendlich kann man diese Eckpunkte auch bereits als Teil der Struktur des Projektes betrachten, sie befinden sich im Übergang zwischen “Intention” und “Struktur“.

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