Fundacion Mashcana in Riobamba- ein Lernort von ganz besonderer Qualität

Eine Freundin von mir war 1994 mit einem studentischen Programm für 8 Monate in Riobamba, bei einer Organisation, die sich “Fundacion Mashcana” nannte. Sie war sehr begeistert davon, und ein oder zwei Jahre später kam ein Vertreter von Mashcana mal nach Deutschland, und besuchte uns damals in Groß Chüden. Der Kontakt ist wieder abgerissen, aber als ich jetzt in Ecuador war, hat meine Freundin Petra mich auf die Idee gebracht, doch mal dieses Projekt zu besuchen, das immer noch besteht. So entschied ich mich für einen Besuch in Riobamba bei Cumandá und Fausto, in der Fundacion Mashcana.

Die beiden holen mich am Busbahnhof ab, wir fahren etwa eine halbe Stunde durch Riobamba. Sie leben am Stadtrand, in einem Stadtteil, der “El Troje” (Die Kornkammer) heißt, seit etwa 1995 sind sie dort vor Ort. Die beiden sind Ingenieure, das Projekt begann auch in erster Linie mit Projekten zu erneuerbaren Energien und angepassten Technologien.

Immer noch eins ihrer wesentlichsten Projekte ist der Bau von Öfen für Menschen in den abgelegenen, indigenen Dörfern. Die Frauen dort kochen häufig noch auf einer Feuerstelle am Boden. Sie bauen, unterstützt von einer belgischen Missionsorganisation, dort feste Öfen zu bauen. Die Vorzüge, die mir dafür sofort einfallen, sind:

  • Spart Holz.
  • Kein Rauch in der Hütte.

Aber wesentlich für Fausto, der dieses Projekt maßgeblich umsetzt, sind zwei andere Vorzüge:

  • Es wird wärmer in der Hütte – sie arbeiten mit Menschen aus Dörfern über 3.000 m. Da wird es empfindlich kalt in der Hütte, und die Frauen arbeiten häufig drin.

    Und, für ihn am allerwichtigsten, er sagte es mindestens dreimal:
  • Die Frauen arbeiten aufrecht. Es gibt ihnen mehr Würde, weil sie nicht auf dem Boden kauern zum Kochen, sondern stehen. Sie schauen nicht mehr auf zu denen, die in die Küche kommen, sondern stehen aufrecht und sind auf Augenhöhe. Es schafft ein anderes Klima in den Familien, wenn die Mutter aufrecht steht. Die Frauen werden selbstbewusster.

    Mit der Kombination von Wärme im Haus und den selbstbewussteren Frauen ändert sich das Klima in den Familien.
Ausgerechnet von den richtigen Öfen habe ich kein Foto. Hier ein niedriger Ofen – aber in der Regel bauen sie sie jetzt auf Stehhöhe und eben nicht mehr so.

Die belgischen Nonnen, die das Projekt unterstützen, finanzieren die Arbeit von Fausto für die Installation der Öfen. Er beginnt nur zu arbeiten, wenn mindestens 10 Familien aus einem Dorf so einen Ofen wollen, weil sie es woanders gesehen haben. Dann kommt Fausto, schaut sich die Hütten an, spricht mit den Frauen, plant die Öfen für den Bedarf der Familie. Dann kaufen sie alle zusammen das Material für die Öfen. Dafür gibt es rückzahlbare Mikro-Darlehen von der belgischen Organisation.

Dann baut Fausto mit den Leuten einen oder zwei Öfen, und die anderen werden dann von den Menschen der Gemeinschaft selber gebaut. So sammeln sie Erfahrung und Know-How und können es auch weitergeben.

Ich finde das ein super-System, und sie haben damit schon fast 2000 solcher Öfen installiert.

Aber das ist nicht alles, was sie an angepasster Technologie verbreiten. Sie haben Solartrockner, Handpflüge, vieles andere für die bäuerliche Hand-Landwirtschaft, und ein Gerät entwickelt, mit dem man aus der Luftfeuchtigkeit Trinkwasser gewinnt.

Der große Solartrockner.
Gesamtansicht Solartrockner
Solarofen – hier zum Gewinnen von Bienenwachs aus den Waben eingesetzt.
Handpflug
Wasser-aus-Nebel-Generier-Gerät … sicher gibt es auch einen richtigen Namen dafür, aber ich kenne ihn nicht. An den Netzen kondensiert das Wasser aus der Luftfeuchtigkeit, und wird unten in einer Tonne gesammelt. Mit richtig viel Ertrag!

Sie haben sich in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr von einem Ingenieursprojekt in ein landwirtschaftliches Projekt verwandelt. Und zwar haben sie ihren Garten nach Agroforst-Gesichtspunkten umgestaltet, und produzieren dort Früchte, Gemüse, Kartoffeln, Milch, Fleisch und Eier ganz ökologisch. (Naja, es würde sicher keiner deutschen Bio-Zertifizierung standhalten, aber ganz ohne Chemie!)

Sie halten Meerschweinchen, eine beliebte Delikatesse in Peru. Die werden nur mit Kräutern aus ihrem Garten gefüttert. Der Mist wird für die Garten benötigt.

Die Haltung der Meerschweinchen entspricht sicherlich nicht modernen Tierschutzbedingungen. Aber fast genausoviele, wie oben in den “Ställen” sind, flitzen unten auch noch frei rum. Und schlechter als vielen Meerschweinchen als Haustieren geht es denen während ihres Lebens nicht – nur dass das Leben recht kurz ist, und sie dann getötet werden, und als Spezialität auf dem Teller landen.

Sie halten Hühner und Schweine, die Hühner teilweise in festen Ausläufen, und teilweise in “Hühnertraktoren”, wo sie gleich den Boden bearbeiten und düngen.

Und dann haben sie ihr Gelände mit vielen Bäumen und Sträuchern strukturiert. Agroforst vom Feinsten. Natürlich sind es auch Bäume und Büsche, die außer der Gliederung des Gartens durch die Gehölzstreifen noch eine Funktion haben, etwa essbare Sträucher oder Heilpflanzen oder Bienenweiden …

Agroforst
Blick auf das Gelände.

Fausto als Ingenieur hat nachgemessen: Die Temperatur ist auf ihren Feldern oft bis zu 2° höher als auf den offenen Feldern der Nachbarn. Denn hier in Riobamba, auf 2.700 m Höhe, ist die Kälte und der Wind oft das Problem. Als es dort mal Frost gab, der die Ernte aller Nachbarn zerstört hat, blieb ihre Ernte zwischen den Bäumen und Büschen verschont. Als es mal Hagel gab, hatten sie nur kleine Schäden, alle andere große Schäden.

Sie leben ja fast direkt am Äquator, ohne wirkliche Jahreszeiten, so säen sie alle 14 Tage ein etwa 200 m² großes Stück neu an, und haben so über das ganze Jahr Gemüse zum Selbstverzehr und auch zum Verkauf.

Daneben haben sie inzwischen auch Bienen.

Was mich am allermeisten beeindruckt hat an Fausto und Cumanda, war ihre große Offenheit und ihre Haltung zu den Menschen, mit denen sie arbeiten und gearbeitet haben: Sie haben immer wieder betont, was sie an dieser oder jener Stelle gelernt haben, wie ein Indigena, der wegen der Öfen vorbeikamen, ihnen wieder etwas neues erklärt hat – sie sehen sich total als Lernende, und lehren dabei so viel.

Zu dieser Lernhaltung passt auch, dass sie auf ihrem Gelände für gut 20 Jahre wohl eine Schule nach dem Prinzip von Rebecca und Mauricio Wild hatten. (Die Original-Schule dafür befindet sich übrigens ca. 500 m Luftlinie von dem Ort, an dem ich gerade in meinen Computer schreibe, und meine Gastgeber:innen hatten ihren Sohn in dieser Schule. Und diese Schule war ein großes Vorbild für die Gründer:innen der Freien Schule Altmark, die aus unserem Projekt hervorgegangen ist. So schließen sich Kreise.)

Die Schule war eine vorbereitete Lernumgebung, in zwei größeren Räumen, sowie das ganze Gelände. Es gab keine ausgebildeten Lehrer, die Eltern begleiteten die Schüler – immer zwei Eltern pro Tag. Jede Woche gab es ein Gespräch aller Eltern über die Schüler. Das lief sehr lange, aber gegen Ende waren immer weniger Eltern bereit, das zu machen. Und nachdem die Kinder von Cumandá und Fausto aus der Schule waren, und es kaum noch andere Eltern gab, die es machten, wurde vor etwa 5 Jahren die Schule geschlossen. Aber die vorbereitete Umgebung ist noch da, wenn auch sehr verstaubt.

Ein Unterrichtsraum – leider verlassen.
Noch ein Unterrichtsraum. Aber mehr als die Räume wurde das ganze Gelände fürs Lernen genutzt.

Hier noch ein Fotovergleich von ihrem Gelände als sie ankamen, und wie es 2017 war – jetzt ist es noch grüner und diverser:

Abends habe ich ihnen einen Bildervortrag über Sieben Linden gezeigt, und den Gemeinschaftskompass vorgestellt, was sehr gut bei ihnen ankam. Auch hier fanden sie, dass sie viel lernen können.

Fausto, Cumanda und ich in ihrer Küche.

Falls Ihr mal nach Ecuador kommt, sie haben inzwischen ein Gästehäuschen, das sie über airbnb vermieten. Ich kann es nur empfehlen! Total tolle Gastgeber:innen, die man mit der Miete dort unterstützt. Und von Riobamba aus kann man auch tolle touristische Ziele erreichen: den Chimborazo, z.B., den höchsten Berg Ecuadors. Die Llanganatas, eine tolle Landschaft. Banos, das Outdoor-Aktivitätszentrum Ecuadors, ist auch nur 2,5 Stunden entfernt.

Das Gästehaus.

Oder falls Ihr Menschen kennt, die Lust haben, eine Weile im Garten oder bei den angewandten Technologien mitzuarbeiten, können sie sich gerne bei Cumandá, mailadresse: decumanda@gmail.com melden. Da die beiden Ingenieure sind, kann es vielleicht auch für manche Ingenieurs-Studiengänge als Pflichtpraktikum durchgehen. Allerdings sind Spanisch-Kenntnisse sehr von Vorteil, und können sie nur Unterkunft anbieten, keine Vollverpflegung. Sie leben einfach selber auf sehr niedrigem Niveau und haben sehr wenig Einnahmen. (Ich denke, dass man die Gartenprodukte sicher verwenden darf.) Aber ich bin sicher, man kann sehr viel von ihnen fürs Leben lernen – und sicher auch im Bereich Ingenieurstätigkeiten und ökologische Landwirtschaft.

Ich bin echt tief beeindruckt, was wenige Menschen so auf die Beine stellen können. Fausto und Cumandá sind das Herz und der Motor des Projektes, und sie sind wirklich bewundernswerte Menschen.